Der Einfluss sozialer Netzwerke auf die gesellschaftliche Entwicklung

Informationsflut oder auch „Information Overload“

In der heutigen Zeit stürmt täglich eine ungewohnte Vielfalt von Informationen und Nachrichten auf uns ein. Zusätzlich beschleunigen zum Beispiel Medien wie Twitter oder Instant-Messaging-Dienste wie WhatsApp diesen Informationsfluss enorm. Seit dem Aufkommen der Smartphones hat jeder alle Nachrichten immer und wirklich überall dabei. Man hat also das Gefühl, stets umfassend und allgemein informiert zu sein. Ob dem wirklich so ist, sei dahingestellt. Noch vor zwanzig Jahren war dies in einem solchen Ausmaß nahezu unvorstellbar.

Diese ungewohnte Reizüberflutung, wenn man es so nennen will, führt dazu, dass unsere erlernten und geübten Mechanismen der bei Bewertung von Informationen nicht mehr so richtig funktionieren wollen. Es fällt vielen Menschen zunehmend schwer, den Wahrheitsgehalt von Meldungen richtig zu beurteilen. Auf der einen Seite wissen wir alle, dass man nicht jeder Nachricht ungesehen Glauben schenken darf, andererseits sind wir zunehmend überfordert, wenn es um die Einordnung neuer Meldungen geht. Das reicht soweit, dass von manchen inzwischen selbst eindeutige Fakten angezweifelt werden.

In Zeiten in denen zunehmend auch Populisten das politische Geschehen bestimmen, sind Lügen und Falschaussagen leider salonfähig und Teil politischer Stimmungsmache geworden. Während vor zwei bis drei Dekaden noch eine einzige nachgewiesene Lüge zum sofortigen Karriereende eines Politikers führen konnte, zählt beispielsweise die Washington Post in ihrem Fakten-Checker inzwischen mehr als 4700 solcher Verfehlungen von US-Präsident Trump, ohne dass es ihm bisher auch nur annähernd geschadet hätte.

Bei der Bewertung von Meldungen spielt vielen ein weiteres erlerntes Denkmuster einen Streich. Früher galt häufig die Devise: ‚An einem Gerücht, wird schon ein Funken Wahrheit dran sein‘. So falsch diese Aussage schon immer gewesen sein mag, solange die Gerüchte nur in lokal begrenzten Gruppen, wie Stammtischen oder Schulhöfen, kursierten, konnten sie einen viel geringeren Schaden anrichten, als heute in weit übergreifenden Netzwerken von Gleichgesinnten.

Begriffe, die ich inzwischen nicht mehr hören kann

Wie kann es also sein, dass zum Beispiel ein Begriff wie Lügenpresse derart verfängt, dass ihn tausende heißere Kehlen unisono im Chor brüllen? Eine Diskreditierung der etablierten Medien, welche ich wahrlich nicht mehr hören kann. In dieselbe Kategorie passt auch der Begriff der Zwangsabgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Mit den Erkenntnissen aus dem vorhergehenden Absatz lässt sich diese Entwicklung teilweise erklären. Viele Menschen sind mit der Vielfalt der heutigen Nachrichtenmeldungen einfach überfordert.

Wer hatte früher schon all die Dutzenden Tageszeitungen gleichzeitig abonniert, welche nun stets parallel online verfügbar sind. Viele verstehen beispielsweise nicht, dass die Grundlage von redaktionellen Inhalten häufig auch Mitteilungen der Deutschen Presse-Agentur sind. Eine eigene Recherche ist für eng budgetierte Lokalzeitungen nicht immer möglich. Ebenso kann nicht jede Redaktion ein riesiges Netz von eigenen Korrespondenten unterhalten. Es kann also durchaus der Eindruck entstehen, dass zu bestimmten Themen viele Zeitungen scheinbar das Gleiche schreiben.

Durch die neuartige Geschwindigkeit im Journalismus ist darüber hinausgehend die Gefahr gestiegen, dass nur um der möglichst schnellen Berichterstattung willen etwas veröffentlicht wird, noch ehe mit hoher Qualität zu Ende recherchiert wurde. So kann es durchaus vorkommen, Meldungen revidieren zu müssen. An dieser Stelle muss man aber die Hintergründe verstehen und nicht gleich das Medium als solches anzweifeln. Der dabei gern aufgegriffene Vorwurf von staatsgelenkten Medien ist wohl eine Weisheit, die nur einigen wenigen im sogenannten „Tal der Ahnungslosen“ glaubhaft vermittelbar sein dürfte. Übrigens: Das einzige Presseorgan, welches direkt Weisungen der Bundeskanzlerin annimmt, ist das Bundespresseamt.

Klassische Medien im Zeitalter des Populismus

Dass jede Zeitungs-, Radio- oder Fernsehredaktion einen eigenen politischen Hintergrund und damit auch eine andere Wahrnehmung hat und unter Umständen eine jeweils andere Einordnung von Ereignissen vornimmt, ist vollkommen legitim und nicht anders zu erwarten. Dabei ist es natürlich ein eherner Grundsatz journalistischen Handelns, stets objektiv und wahrheitsgemäß zu berichten. Genau das ist es ja, was mit Pressefreiheit gemeint ist. Nicht mit dieser zu vereinen, ist es hingegen, wenn jede unliebsame Meinung einfach als Lüge diffamiert wird. Dann wird jeder Diskurs unmöglich.

In großen Teilen der Bevölkerung hat die Glaubwürdigkeit der klassischen Medien, egal ob Presse, Hörfunk oder Fernsehen, innerhalb der letzten Jahre leider enorm gelitten. Dies lässt sich durch repräsentative Umfragen belegen. Befeuert wird diese Entwicklung unter anderem durch die Populisten selbst. Diese werden nicht müde, die Medien anzugreifen und nutzen sie aber im Gegenzug auch geschickt für ihre narzisstische Propaganda. Sie bewegen sich immer am Rande des juristisch geradeso Zulässigen. Allzu gern werden später Aussagen zurückgezogen oder relativiert, so dass alle die bereits darauf angesprungen sind, nachträglich selbst der Diffamierung bezichtigt werden können.

Eine Eskalation bisher ungekannter Qualität ist in den direkten Tätlichkeiten gegen Journalisten zu sehen, wie sie in den letzten Wochen und eben auch in Chemnitz mehrfach zu beobachten waren. Darin sehe ich einen beabsichtigten Angriff auf die Pressefreiheit. Wobei der vorläufige Gipfel sicherlich erreicht wurde, als die AfD-Fraktion des Hochtaunuskreises in Reaktion auf die Geschehnisse in Chemnitz kurzzeitig sogar ‚zum Sturm auf die Funkhäuser und Presseverlage‘ aufrief, bevor die Meldung gleich darauf wieder von Facebook verschwand (Link zum Artikel der Frankfurter Rundschau).

Generell wird von rechten Demagogen gern eine anscheinende Revolutionsstimmung heraufbeschworen, da passen kritische Journalisten natürlich nicht ins Bild. Diese Stimmung war auch der Geist der Demonstrationen in Chemnitz. Der beschriebene Glaubwürdigkeitsverlust der etablierten Medien kommt den Stimmungsmachern sehr zupasse und wird nach Kräften gefördert. Nach ihrem Duktus sollten von der Mehrheit der Bevölkerung am besten die neuartigen Kommunikationskanäle, welche man natürlich viel besser im eigenen Sinne steuern kann, genutzt werden. An dieser Stelle kommen jetzt die sozialen Netzwerke ins Spiel.